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Voigtländer Optiken an Nikon ZF - modern aber mit Retro "Sahnetüpfelchen"

Moderne Kameras und Objektive erinnern mich manchmal an Autos wie einen Audi A4 oder einen 5er BMW. Modern, mit Vollausstattung ... irgendwie rundum nahezu perfekte Pakete. Und dennoch bleibt bei uns häufig die Faszination für das Alte, Vergangene, für das vermeintlich oder auch faktisch weniger Perfekte. Etwa einen VW Käfer oder einen alten Alfa Romeo und dergleichen.

Ähnlich geht es mir aktuell mit Kameras und Objektiven. Meine Nikon Z7II und Nikon Z8 entsprechen den modernen Autos ganz gut. Rundum ausgestattet, sehr gutes Handling, im Falle der Nikon Z8 auch rasend schnell mit ordentlich "PS" unter der Haube, ... Verzeihung hinter dem Bajonett. Eigentlich kann man das fast für alle Kameras der letzten Decade sagen, allesamt auf einem Niveau, von dem man vor 20 oder gar 30 Jahren nicht zu träumen wagte.

Gleiches gilt für die Objektive. Ich kann nur für Nikon reden, aber die haben mit der Umstellung auf das Z Bajonett ordentlich Gas gegeben und Objektive herausgebracht, die ihre Vorgänger für den F-Mount meist recht deutlich in den Schatten stellen. Vor allen Dingen dann, wenn es um Schärfe (auch und gerade offen) und die Korrektur der chromatischen Aberration geht. So kann zum Beispiel das AF-S 1,4/85mm seinen beiden Nachfolgern, dem Z 85mm 1.8 S oder gar dem Z 85mm 1.2 S weder in Sachen Schärfe noch bei der Korrektur der CA das Wasser reichen. 

Und diese Aussage ließe sich auf viele andere Objektive übertragen. Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass die meisten neuen Z Optiken wirklich insbesondere in diesen beiden Bereichen optimiert wurden.

 

Die Kamera

Aber bei Kameras und Objektiven ist es eben irgendwie wie bei Autos. Manchmal ist Perfektion nicht alles, sondern im Gegenteil auch irgendwie ein bisschen langweilig bzw. seelenlos. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich möchte damit die Qualität der aktuellen Nikon Kameras und Objektive nicht klein reden. Ich nutze sowohl die Kameras als auch meine modernen Nikon Z Optiken gerne und viel.

Und doch haben die Nikon ZF und davor eine Leica Q meine Sehnsucht nach den "Wurzeln der Fotografie" bedient. Wertig, gut anzufassen, in der Bedienung deutlich langsamer aber auch unmittelbarer als die modernen Kameras. Ein Slowdown, wie ihn vielleicht auch so mancher Fan alter Autos erfasst. Dabei ist die Nikon ZF ja im Inneren eine moderne Kamera (der Sensor stammt von der Z6 II, der Prozessor von Z8 und Z9). Aber die Drehräder sind aus Messing, sammeln vielleicht mit der Zeit etwas Patina und klicken so wunderbar satt, dass man den Eindruck haben könnte, hier stünde eine waschechte Nikon FM2, FA oder gar F3 vor einem. Schon fühlt man sich locker 30 Jahre jünger.

 

Dabei verbindet insbesondere die Nikon ZF (mittlerweile auch die Z6III und die Z5II Mund nach einem Firmware Update auch die Z8) Tradition und Moderne mit ein paar wirklichen spannenden Funktionen. So bleibt bei manuellen Optiken, die mit Chip versehen sind oder über bestimmte Adapter mit der Kamera verbunden sind, die Motiverkennung aktiv. Mit anderen Wort kann die Kamera zum Beispiel menschliche Augen auch bei manuellem Fokus erkennen und das AF Feld dann darauf legen und bei Scharfstellung grün leuchten lassen. Beim Antippen der Zoomtaste für die Vergrößerung im Sucher wird dann automatisch auf das erkannte Auge vergrößert, so dass sich das hervorragend manuell scharfstellen lässt.

Über die technische Ausstattung der Kamera möchte ich mir an dieser Stelle nicht ausführlich auslassen. Da gibt es mittlerweile zahlreiche gute und detaillierte Reviews und Erfahrungsberichte im Netz. Und thematischer Schwerpunkte sollen hier ja auch die beiden Voigtländer Optiken sein.

 

Die Objektive

Womit wir beim Thema wären. Ein Kamera wie die Nikon ZF, mit Remineszenzen an die klassischen Nikon Kameras der frühen 80er, verlangt eigentlich geradezu nach Objektiven, die vom Anfassgefühl an alte und damit manuelle AI/AIS Nikkore erinnern. Mit dem Z 40mm 2.0 SE und dem Z 28mm 2,8 SE hat Nikon zwar zwei Objektive, die diesem Anspruch optisch gerecht werden, nicht aber vom Anfassgefühl und in Sachen Bedienung. Mit Plastikgehäusen und dafür nur mit einer Art Fake Blendenring bilden optisch eine stimmige Einheit mit der Kamera, aber nicht haptisch.

Abhilfe ist auf unterschiedliche Weise denkbar. 1.) Man kann alte AI/AIS Nikkore adaptieren, hat dann aber aufgrund des deutlich längeren Auflagemaßes des alten F-Bajonetts (Auflagemaß: Abstand von Bajonett zur Sensorebene, die bei Spiegelreflexen aufgrund des Spiegelkastens größer sein musste) einen relativ breiten Adapter. 2.) Man kann Objektive für Leica M Mount adaptieren, die mit deutlich schmaleren Adaptern auskommen und daher optisch und vom Handling eine schönere Einheit mit der Kamera bilden. 3.) Oder man kann native Z Objektive von Fremdherstellern verwenden.

Ich möchte heute insbesondere über die letzten beiden Möglichkeiten sprechen, denn ich nutze an der Nikon ZF unter anderem das Voigtländer Nokton 40mm 1.2 für Z Mount sowie das Voigtländer Classic Heliar 75mm 1.8 für Leica M-Mount, das ich über einen Techart Adapter (der sogar AF möglich macht) an der Kamera montiert habe.

  

Voigtländer Nokton 40mm 1.2 Z

Das Nokton ist ein Objektiv, dass es schon etwas länger gibt. Für Leica M-Mount und Sony E-Mount. Vor einiger Zeit kam es dann auch für den Z-Mount, und ich fand die Kombination aus 40mm Brennweite, hoher Lichtstärke, geringer Größe und tadelloser Verarbeitung wirklich spannend. Haptisch ist es ein "Match made in heaven" für die Nikon ZF.  Kleiner als mein Nikon Z 50mm 1.8 S, von meinem Z 50mm 1.2 S wollen wir gar nicht erst reden. Selbst wenn ich die Kamera ohne zusätzlichen Griff nutze, geht das mit dem 40mm Nokton wirklich gut. Der Blendenring läuft präzise (die Blende wird im übrigen übertragen, da das Objektiv mit Chip ausgestattet ist) und der Scharfstellring lässt sich butterweich und mit viel Gefühl fokussieren. Die Trefferquote war selbst bei Blende 1.2 nicht schlecht, auch dann, wenn ich Menschen fotografiert habe (die allerdings nicht gerannt sind ...).

Zur optischen Leistung möchte ich Folgendes sagen. Ich habe das Objektiv, wie auch das Voigtländer 75mm, sowohl an der Nikon ZF als auch an der höher auflösenden Nikon Z8 genutzt. Offen ist die Schärfe in einem weiten Bereich um die Mitte völlig ausreichend, wenn ich ein Bild wegen Unschärfe aussortiert habe, dann hab ich falsch fokussiert. So klinisch scharf, wie viele modernen Optiken aus dem Hause Nikon, ist es aber nicht. Allerdings ist das gerade bei Porträts ja manchmal auch von Vorteil, weil nicht jede Pore und jeder Pickel mit der vollen "Brutalität der Realität" gezeigt wird. Das 40mm Voigtländer schmeichelt zwischen Blende 1.2 und 2 da eher mit einem ganz leichten Glow, der aber nicht mit Unschärfe zu verwechseln ist. 

Auf einer Shootingreise im April hat mir ein befreundeter Fotograf bei der Sichtung meiner Bilder gesagt, er erkenne die Bilder mit den beiden Voigtländer Objektiven sofort, weil ihm dort die Hauttöne besser gefallen. Das ist auch mir aufgefallen, kann aber auch am Weißabgleich liegen, der vielleicht mit den Nikon Objektiven etwas anders funktioniert. Vielleicht sind es aber auch die verwendeten Gläser. Voigtländer Objektive werden bei Cosina gefertigt und damit dort, wo zum Beispiel auch die Zeiss Optiken gebaut werden. Auf jeden Fall also von einem Hersteller, der in der Produktion und Entwicklung hochwertiger Objektive viel Erfahrung hat.

Bevor ich auf die für mich spannendste Eigenschaft des 40mm Nokton eingehe, möchte ich noch zwei Aspekte erwähnen, bei denen die Linse schon etwas auffällig ist. Zum einen produziert sie offen deutliche CAs an Kontrastkanten, die ich so von den aktuellen Z Nikorren nicht mehr kenne (bei den älteren AF-S oder AF-D Nikkoren gab es einige Objektive, die ähnliche CA Probleme hatten). Bei Abblendung ab etwa Blende 2.8 spielen die dann keine große Rolle mehr. Naturgemäß waren die CA besonders an den 45 Megapixeln der Nikon Z8 auffällig. Das zweite Problem sind deutliche kreisförmige Reflexe, wenn die Sonne nahe der Mitte des Bildes steht. Bei manchen Bildern mögen die ein Gestaltungsmittel sein, bei vielen hingegen störend.

Das für mich größte Pluspunkt des Nokton ist aber die Bildanmutung insbesondere bei Offenblende, dazu gehört der sanfte Verlauf von Schärfe in die Unschärfe, der wunderbar natürlich wirkt sowie die etwas zurückgenommenen Kontraste bei Offenblende bis etwa 2.0, sowie der schon angesprochene leichte Glow und die schöne, weil schmeichelhafte Abbildung von Haut.

Erstes Fazit: Ein kleiner Handschmeichler, der insbesondere an der Nikon ZF mit ihren neuen Fokussierhilfen (Objekterkennung bei manuellen Objektiven wie dem Nokton für Z Mount) Spaß macht und Bilder mit einem besonderen Look produziert. Das wunderbar präzise Scharfstellring und die Fokushilfen moderner Nikons (insbesondere der ZF) sorgen für eine gute Trefferquote.

 

Voigtländer Classic Heliar 75mm 1.8

Das Classic Heliar ist wie das Nokton 40mm aus dem Vollen gefräst. Meines Wissens ist diese Version nur für den Leica M-Mount gebaut worden, mittlerweile gibt aus auch ein neueres Voigtländer Nokton 75mm 1.5 für den Z-Mount. Ich nutze die M-Mount Version am Techart-Adapter MTZ 02. Zur Optik kann man Ähnliches sagen wie zum Nokton 40mm. Die Schärfe ist offen gut, wenngleich nicht auf dem gleichen Niveau wie beim Nikon Z 85mm 1.8 S oder gar der 1.2er Version. Für Porträts ist die Linse aber sehr gut geeignet, weil Hauttöne angenehm gerendert werden. Auch hier zeigen sich an Kontrastkanten CAs. Die Bildanmutung ist auch hier wunderbar natürlich, der Übergang von Schärfe zu Unschärfe angenehm, das Bokeh ruhig (von einigen CAs in Bokehkreisen mit hohen Kontrasten abgesehen). Auf meiner letzten Shootingreise im April hatte ich neben dem 75mm auch ein Nikon 50mm sowie 105mm dabei und war selbst erstaunt, wie häufig ist zum 75mm Voigtländer gegriffen habe. Bei Porträts oder der Darstellung ganzer Personen ist der Arbeitsabstand angenehm und der Hintergrund weich aber noch gut erkennbar.

Techart-Adapter MTZ 02

Das Voigtländer 75mm mit M-Mount habe ich am Techart-Adapter an den Nikons verwendet. Dieser Adapter kann aus- und einfahren, was es möglich macht, alte MF Objektive automatisch zu fokussieren. Das funktioniert bei hellem Licht ganz gut und auch recht flott, etwa so wie bei alten Nikon Stangen-AF Objektiven an Nikon DSLRs. Für Sport und Action sicherlich nicht die passende Lösung, bei Porträts und eher ruhigen Sujets aber schnell genug und auch präzise. So ließ sich das 75mm Objektiv auch bei Offenblende gut scharfstellen. Der Adapter macht beim Fokussieren leichte Geräusche, was beim Fotografieren nicht störend ist, aber für Videofilmer ein Ausschlusskriterium sein könnte. Und noch eine Besonderheit hat der Adapter. Der er nur etwas 0,5 cm herausfahren kann (mehr Hub würde ihn größer und/oder instabiler machen), müssen Objektive, deren Schneckengang beim Fokussieren weit ausfährt (weiter als die besagten 0,5 cm) im Nahbereich manuell vorfokussiert werden. Das ist mit etwas Gewöhnung verbunden, aber mit etwas Praxiserfahrung auch kein Problem. Bei meinen alten Objektiven, die ich an der Kamera mit diesem Adapter nutze, ist das nur beim Voigtländer 75mm und dem Nikkor AIS 105mm nötig. Bei kürzeren Brennweiten hingegen (50mm AIS und 28mm AI) reichen die 0,5 cm des Adapters für den gesamten Fokusbereich. Bei allen Objektiven kann ich sogar den Nahbereich noch etwas erweitern, indem ich das Objektiv manuell an die Naheinstellgrenze fokussieren und dann erst den Adapter in noch nähere Bereiche fokussieren lasse.  Die Ergebnisse jenseits der eigentlichen Naheinstellgrenze variieren etwas von Objektiv zu Objektiv.

Techart gibt als Maximalgewicht für die Optiken 500 gr an; ich habe das nicht ausgereizt, da alle meine manuellen Objektive, die ich adaptiert habe, leichter sind.

Den Adapter gibt es derzeit nur von Leica M auch Nikon Z Bajonett, und dennoch kann man alte Nikon AI/AIS Objektive ebenfalls mit AF nutzen. Dafür braucht man dann noch einen zweiten Adapter (ohne irgendwelchen elektronischen Kontakte) von Nikon F auf Leica M. Ich nutze hierfür den einfachen Adapter von URTH. Optisch ist die Variante eine M Objektivs wie dem Voigtländer mit Techart Adapter an der Nikon ZF schön, funktional stellt die Variante mit Nikon AI/AIS Optik, URTH Adapter, Techart Adapter der vorgenannten Kombination in nichts nach. Übrigens erlauben beide Varianten auch Augen- und Geschichtserkennung und AF sowohl an Nikon Z8 als auch an Nikon ZF.

So ist der nicht ganz billige Adapter eine praktikable Variante, alten MF Linsen durch die Möglichkeit, sie über den Auszug des Adapters zu fokussieren, neues Leben einzuhauchen und die Trefferquote gerade bei lichtstärkeren Optiken deutlich zu erhöhen. Zudem bietet er die Möglichkeit, Objektive an der Nikon ZF zu nutzen, die haptisch und optisch einfach eine schönere Kombination mit dem Kameragehäuse bilden.

 

 Mein Fazit: Slowdown bringt Spaß an der Fotografie, die Voigtländer 40mm und 75mm Optiken haben einen Look, den ich mag, aber die Optiken haben gerade bei CA und Gegenlicht Schwächen, die man manchmal gestalterisch nutzen kann. Gerade wenn es nicht um Action Fotografie geht, machen alte oder wie in diesem Fall moderne MF Optiken wirklich Freude, zumal sie kompakter, leichter und zudem wertig verarbeitet sind. Für mich ersetzen sie die AF Nikkore nicht, aber sie sind eine wunderbar entspannende Ergänzung. Und das gilt auch für ältere und damit günstigere AI/AIS Nikkore, wie zum Beispiel das fast schon legendäre 105mm mit Blende 2.5. Der Techart Adapter haucht gerade den alten MF Nikkoren durch die Möglichkeit, sie zu fokussieren, neues Leben ein. Die manuellen Z Optiken von profitieren besonders von den Fokushilfen und der Objektiverkennung auch bei MF, wie ihn einige Nikon Kameras aktuell bieten.